Ein schöner Nachmittag im Rokoko Garten
Dem Sommer- und Lustgarten der Würzburger Fürstbischöfe
Nach einer leicht trüben Fahrt auf dem Main ab Würzburg sind wir in Veitshöchheim. Das Wetter hellt sich auf bei dem kurzen Gang zum Garten. Wir sind da in einem der schönsten und besterhaltensten Rokkokogärten Deutschlands. Eine Lindenallee führt uns vorbei an dem teilweise rekonstruierten, sehr gepflegten Küchengarten mit historischem Gemüse. "Schönes mit dem Nützlichen" zu verbinden war eine der Maximen für die Lustgärten der Würzburger Fürstbischöfe. So sind hinter den Hecken über die ganze Gartenanlage Formobstbäume zur Gewinnung von Tafelobst verteilt. Obstspaliere zieren einen Teil der Mauer, die den ganzen Garten umgibt. Dann stehen wir an der elegant geschwungen Treppe zum Schloßparterre. Ein imposantes Bild, wenn man sich vorstellt hier oben stünde der würzburg-bambergische Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim (reg. 1755-1779) zum Empfang seiner hochrangingen Gäste. Im Hintergrund das Sommerschloß (Erweiterung B. Neumann) mit dem vielteilig geschwungen Mansarddächern, seitlich gerahmt von Wappenkartuschen haltenden Löwen. Links: Die Wappen der Fürstbistümer Würzburg und Bamberg und das Familienwappen der Seinsheim, rechts das Monogram AFS, so zeigte sich A.F.v. Seinsheim als der Vollender des Gartens (1763-1779) im Stil des Rokkoko: Kleinteilig, intensiv und kontrastreich ausgestattet mit Pavillons, Wassereinlagen und reichem Figurschmuck in den Heckenkabinetten, mit interessanten Blickachsen und mit Wegekreuzen, die den Besucher etwas verwirren können, bei der Wahl des weiteren Weges.
Entlang der Mauer, die das Schloßhaus aus dem Gartenniveau heraushebt und mit Skulpturen der Olympischen Götter und den neun Musen bestellt ist (Wekstatt van der Ruvera) geht der Spaziergang im "Zick-Zack irrend" durch die Gartenräume.
Aus der streng geschnittenen Lindenallee geht es zum großen See, einer Zone, die - neben dem Schloß - zur "Apotheose" (Verherrlichung) des Bauherren durch reichen Figurenschmuck gekennzeichnet ist. Tänzerisch bewegt, schwärmerisch, kapriziös in Rokkokomode gekleidet, stehen hier die Götter des Olymp auf dem Parnaß im See und in den Heckennieschen, auch die Allegorien der Jahreszeiten und der Künste. Einst weiß bemalt und teilvergoldet erschienen sie dem Betrachter wie Prozellanfiguren - damals teure und begehrte Objekte. Geschaffen von dem böhmischen Bildhauer Ferdinand Tietz (1763-1768) sind seine Figuren (heute Abgußkopien) in der Seenzone, in der Hecken- und in der Irrgartenzone die originellsten und berühmtesten des Hofgartens. Vorbei am kleinen See mit dem 1825 im Sinne einer Romantisierung des gealterten und pflegereduzierten Parks gepflanzten Platanen, vorbei an den klassizistisch geprägtem Kaisertor führt der Spaziergang durch die Heckenzone mit den dunklen Laubengängen, der raffinierten Blickachse durch die ovalen Öffnungen der Pavillons und Hecken. Mittig liegt der mit Platanen (s.o.) bestandene Festplatz, der durch tanzende Figuren und die vier Erdteile (F. Tietz) gekennzeichnet ist. Imponierend der Blick zurück auf den Parnaß, wenn die Fontänen springen. Das Gegenstück auf der anderen Seite, die Kaskade, wurde im 2. Weltkrieg zerstört. Durch die Fichtenallee geht es in die Irrgartenzone. Irrgarten - fast ein Muß für die Gärten jener Zeit - wie auch chinoise oder exotische Kleinarchitekturen und ein Gartentheater. Die Zone zeigt nur noch die mit Fichten bestandenen Hauptwege, zwei reizende exotische Pavillons und als Skulpturen die Fabelwelt von La Fontaine.
Noch ein Blick auf das "Muschelhäuschen", einem Belvederebau (Aussichtspavillon) mit Grotte und kleinem Salon. Seine Außenwände sind mit Glitzermaterial, mit Schneckenhäusern und Muschelschalen inkrustiert, ebenso die amüsanten Tiere in den Höhlungen des Tuffsteinunterbaus. In dieser sogenannten Dreieckszone, die als letzter Teil des Gartens ausgestattet wurde, geht der Spaziergang zurück Richtung Schloß. Vorbei an den schon klassizistischen Skulpturen von Peter Wagner, an der leeren Mauerfläche der zerstörten Kaskade noch ein kurzer Halt auf der Theaterbühne. Hier standen einst die leider verlorenen, bunten Figuren vor den Heckenwänden, die F. Tietz in Anlehnung an die Porzellanfiguren der Commedia dell' Arte gestaltet hatte.
Der Blick zum Blauen Turm, dahinter, der als Schießstand diente, erinnert daran, dass diese Gartenanlage - wie viele Lust- und Sommergärten dieser Zeit - aus einem Wirtschafts- und Fasanengarten entstanden ist.
Endpunkt des Rundganges ist am Schloß mit den weiß gestrichenen spielenden Putten (P. Wagner) auf der Balustrade und einer im Stil der Zeit rekonstruierten Parterreanlage (ursprünglich Broderieparterre).
Wem verdanken wir diesen zweistündigen, genußvollen Spaziergang durch den bedeutenden Rokkokogarten?
Nach dem Tode von A.F.v. Seinsheim konnte durch eine Order von König Max I. Josef die "symmetrische Form" des inzwischen königlichen Gartens erhalten bleiben. Sein Sohn Ludwig I. verhinderte, dass die geplante Eisenbahntrasse Würzburg-Aschaffenburg mitten durch den Hofgarten geführt wurde. Heute wird die Anlage sorgfältig von der bayerischen Schlößerverwaltung unter gartendenkmalpflegerischen Geischtspunkten gepflegt.