06. Juni 2014 - Enthüllung einer Haustafel am alten katholischen Schulhaus in Neuses am Berg zum Gedenken an den Lehrer, Heimatdichter und Schulbuchautor Alois Josef Ruckert
Das erste katholische Schulhaus in der Kreuzgasse 8 hinter der Kirche steht wieder in neuem Glanz, nachdem es erst 2012 von Jan Adolphs aus Düsseldorf aufwendig restauriert wurde.
Jan Adolphs ist in Dettelbach geboren und verbrachte nach dem 2. Weltkrieg aufgrund der Kriegsfolgen Kinderjahre in Dettelbach. Durch Zufall „entdeckte“ er die „Alte Schule“ in Neuses am Berg. Er freundete sich rasch mit dem denkmalgeschützten Gebäude an und ließ es nach den Vorgaben des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege restaurieren.
Das Lehrer-Leben des Alois Josef Ruckert ab 1872 in Neuses am Berg
Alois J. Ruckert wurde 1846 in Stellberg in der hessischen Rhön geboren und verbrachte anschließend seine Kinder- und Jugendzeit in Buchbrunn bei Kitzingen, wo sein Vater Lehrer war. Er liebte seine Heimat um Kitzingen sehr und nahm dadurch auch die hiesige Mundart als seine Muttersprache an.
"Grodraus wia's gewachs'n it", so hat der Schweinfurter Kreisheimatpfleger Karl-Heinz Hennig das Bändchen genannt, in dem er Leben und Wirken Alois Josef Ruckerts eingehend durchleuchtet hat. Es waren Lieblingsausdrücke die dort verwendet wurden. "Tochanachtsveichali", „Lachtäuwli“ oder das unterfränkische Wörterbuch gehören zu den bekanntesten Mundart-Werken Ruckerts. Bereits in Neuses a. B., wo er kurz nach Eintreffen seine Frau, Margarete Hildegarde geb. Neumann aus Aschaffenburg, heiratete, machte er sich schon ans Schreiben von Lehrbüchern, z.B.: Fremdwörterbüchlein für Schule und Haus. Später dann sogar ein illustriertes Naturwissenschaftsbuch für Volks- und Fortbildungsschulen. Irgendwann hatte sich Lehrer Ruckert auch an das begehrte und längst schon vergriffene erste "Unterfränkische Wörterbuch" gemacht. Liest man viele seiner Gedichte, kann man erkennen, daß einiges schon vor seiner Berufszeit gedanklich entstanden sein muß. Einer seiner besten Freunde war der Buchbrunner Weingoßhändler Gottlob Meuschel.
In Neuses a. Berg ging es der Junglehrerfamilie offensichtlich doch ganz gut. Sie bekamen von den Schüler-Eltern soviel Naturalien, die sie anscheinend gar nicht alle brauchen konnten. Aus der Schulhausrechnung ist ersichtlich, dass der Schulmost, wie auch das für die Familie eingesammelte Besoldungsgetreide an den Meistbietenden "verstrichen" wurde. Auch mit der angediehenen Landwirtschaft (Schulacker und Schulwiese ...) wusste Lehrer Ruckert nicht viel anzufangen, denn er erlöste hierfür im Jahre 1876, wo auch eine Währungsumstellung von Gulden auf Mark und Pfennig stattfand, 112,65 Mark Feldpacht. Vielleicht konnte seine Familie die schweren landwirtschaftlichen Arbeiten auch nicht ausführen, wenn man bedenkt, dass in den ersten Berufsjahren in Neuses die junge Lehrersfrau drei Kinder gebar.
1877 verließ Lehrer Ruckert Neuses am Berg Richtung Maibach bei Schweinfurt. Neben seinen Lehrbüchern verfasste er auch dort wunderbare Mundartgedichte, die ihn erst richtig bekannt machten. In Maibach mußte er anscheinend neben dem Schuldienst auch mehr Augenmerk auf die Existenz der Familie richten, denn jetzt betrieb er eine kleine Landwirtschaft. An einem seiner Wirkungsstätten war ihm "ein Weib" wahrscheinlich nicht so hold gesinnt. Er beschrieb sie in einem Mundartbüchlein, von denen er eines den Titel "Kurzweil" gab, folgendermaßen: …
Die Odlshannesa, dia alta langa Lattn und rappeldörra Hex,
wu kenn Schattn gschmissn hat, mit ihra glitschraota Nosn und graala Aachng, wenn dia mit ihra Fangzäi im läüsmuckertn Gsicht und ihr'm roatgschräfft-gelbgeblümmtn schlampertn Klääd an der Wäid varbeiganga it, senn die Frösch vo lauter Schreck untern Schlamm gegrochn. Da hot era aa ihr gschtreckter lureder Gaggeratzer-Koupf mit darn routn Löschhorn und fuchseda strupperta Börschtn nix gholfm.
Welche wertvolle Arbeit er in Sachen Mundart und Brauchtum leistete, wurde im Schulhaus in Neuses wahrscheinlich noch nicht erkannt. Und wer das heute wieder schmucke relativ kleine Haus kennt, kann sich auch nicht vorstellen, wie er dort groß wirken konnte. Vielleicht war ihm damals schon klar, dass er für seine Ideen mehr Platz bräuchte.
Anfang des neuen Jahrhunderts zeichnete sich nämlich auch im Neuseser Schulwesen ab, daß die kleinen Räume der alten Schule, dunkel und feucht, nicht mehr den Anforderungen entsprachen. Und nachdem die evangelische Seite bereits 1879 eine neue Schule bekommen hatte, wurde schließlich im Jahre 1912 auch eine neue katholische Schule am nördlichen Ende des Dorfes gebaut.
40 Jahre vorher wurde durch Alois Josef Ruckert bereits dem Schulbetrieb ein Niveau auferlegt, das diesem neuen Haus sicherlich noch zugute kam, denn nicht nur Schrift, Zahlen und Sprache waren Schwerpunkte seiner pädagogischen Leistungen, sondern auch geistliche Bücher stammen aus seiner Feder. Ende des 19.Jh. verfaßte er 3 Werke um biblische Geschichten, teils illustriert.
Sehr vielseitig gehandhabt wurden seine Mundartgedichte und -geschichten. Er hatte sich an allen Orten dessen besonders angenommen. Sehr umfangreich hat dies in besonderer Weise der dortige Kreisheimatpfleger Karl-Heinz Hennig niedergeschrieben. In seinem Büchlein über Alois Josef Ruckert hat er die verschiedenen Eigenarten der Dialekte aus Ruckerts Heimat „östlich Würzburgs“ dem Bezirken Kitzingen, mit Buchbrunn, Dettelbach, mit Neuses a.B., Volkach, Gerolzhofen und Schweinfurt besondere Bedeutung beigemessen. Und wenn man diese kleinen Unterschiede (es sind nur Dudernierli) kennt, so kann man auch nachvollziehen, dass nicht nur sein Gedicht „Die Kerwegans“: In Neuse war de Schreinersbast bein Adlerwert als Kerwagast….sondern auch das nachfolgende bekannte und lange Zeit auch in Lesebüchern abgedruchte Verslein übern „Michel in Höahnerhaus“ in Neuses a.B. entstanden sein muss, denn in Buchbrunn sagt man nicht „Höähner“, sondern Hönner und weiter östlich dann „Häahr“. Auch weitere dialektische Ausdrücke deuten darauf hin, dass ihn bereits in den Neuseser Jahren sehr Lustiges einfiel. Schließlich war er auch noch sehr jung und in den ersten Ehejahren manchmal sicher besser gestimmt, als später im Alter. Denn nach seinen Wortwahlen in Gedichten zu schließen, musste er auch manchen Bürgermeistern und Bauern, die in seinen Räumen auftauchten (di Stiefl vouller Mist) mit urigen Ausdrücken seine Meinung gehörig und zugleich vornehm (mit guater Miena) beibringen.
Nicht immer hatten Bürger des Dorfes auch ein gutes Ansehen in seinen Augen. Wenn Ruckert auch in jüngeren Jahren lieblichere Worte z.B. in Schnoderhüpferli in fränkischem Dialekt ausgedrückte, so hatte er es auch treffend parat:
O könnt jeda Fra a Kalanner ner sei
Na tauschet mer jahrli a neue leicht ei.
I bin halt a off`ner a lustiar Frank
Sou wia-n-i`s rauspapp`l sou it mei Gedank.
Auszüge aus einem Text von Heinrich Stier
Quellen: Stadtarchiv Dettelbach
Band „Grodraus, wias gewachsen it“ von Kreisheimatpfleger Karl-Heinz Hennig, SW
Geschäfts-Protokoll der königlichen Lokalschulinspektion zu Neuses a.B. von 1853